Projekt »Partizipative Entwicklung eines methoden- und erfahrungsgeleiteten Programms zur akuten Unterstützung städtischer Akteure im Handlungsfeld Integration«
Projektergebnisse
Die Ergebnisse des Projekts werden ausführlich in einem Sachbericht dokumentiert: Download.
Zusammenfassung: Zielerreichung
Das Pilotprojekt entstand als Reaktion auf die Situation der Dresdner Stadtgesellschaft im Sommer 2015, in der qualitativ neue soziale und politische Herausforderungen zu bewältigen waren und in der sich andererseits gesellschaftliche Konflikte zuspitzten. So zielte das Projekt darauf, in zwei Perspektiven neue Ansätze zu erproben:
- Als Reaktion auf die neue Dimension von Flucht und Migration war auch in Dresden ein breites bürgerschaftliches Engagement entstanden, das zunächst spontan neben den etablierten Strukturen der öffentlichen Verwaltung und Politik agierte. Dabei wurde deutlich, dass die tradierten Kommunikations- und Kooperationsmechanismen zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft nicht leistungsfähig genug waren, um diese Ressourcen effektiv und effizient genug zu bündeln und nachhaltig nutzbar zu machen. Mit dem Pilotprojekt sollten daher Akteure aus den genannten gesellschaftlichen Bereichen zusammengeführt, füreinander sensibilisiert und Impulse zur Verbesserung von Kommunikation und Kooperation ausgelöst werden.
- Während ein Teil der Stadtgesellschaft auf die Herausforderungen steigender Flüchtlingszahlen solidarisch reagierte, nutzten populistische, anti-demokratische Gruppen ‒ in Dresden vor allem PEGIDA und AfD ‒ das Thema erfolgreich, um eigene politische Deutungen und Botschaften zu verstärken. In der Folge spitzten sich die öffentlichen Auseinandersetzungen zu; Teile der Stadtgesellschaft polarisierten sich stärker als vorher. Erste Versuche von Lokalpolitik und Verwaltung, dieser Situation mit verbesserter Transparenz und mit Dialogangeboten zu begegnen, blieben weitgehend wirkungslos. Mit dem Pilotprojekt sollte daher nach Möglichkeiten gesucht werden, Menschen aus unterschiedlichen sozialen und politischen Gruppen wieder in Kontakt zu bringen und sie dabei zu unterstützen, ihre unterschiedlichen Erfahrungen zu diskutieren und vielleicht gar Ansätze für Kooperation zu entwickeln.
Umsetzung und Reichweite der geplanten Aktivitäten
Angesichts der bereits planmäßig knappen Projektlaufzeit, die sich fördertechnischen Gründen noch einmal auf schließlich nur wenige Wochen reduzierte, war es notwendig, die Projektarbeit methodisch zu fokussieren. Dies erfolgte in doppelter Hinsicht:
- Einerseits konzentrierte sich die Projektleitung auf den methodischen Ansatz der moderierten Gruppenarbeit nach der »Therapie Sociale«; mit Charles Rojzman konnte deren international wichtigster Protagonist kurzfristig für die persönliche Unterstützung der Projektarbeit gewonnen werden.
- Andererseits erwies sich der gesellschaftliche Konflikt zwischen Befürwortern und Gegnern der Aufnahme geflüchteter Menschen in Dresden als gesellschaftlich so drängend, dass dies andere Aspekte des Projektkonzepts überstrahlte. Der methodische Ansatz der »Therapie Sociale« sollte, so war sich die Projektleitung rasch einig, vor allem mit der Zielsetzung erprobt werden, den gesellschaftlichen Polarisierungen zu begegnen. Die erstgenannte Projektperspektive ‒ die Verbesserung der Kommunikation und Kooperation zwischen bürgerschaftlich Engagierten, Verwaltung und Politik ‒ wurde dennoch weiter verfolgt: Vertreter*innen aus diesen Bereichen sollten in die Gruppenarbeit einbezogen werden und in der gemeinsamen Diskussion mit anderen Gruppen auch die Kommunikation untereinander intensivieren.
Vor diesem Hintergrund kann bilanziert werden:
- Trotz des extrem knappen Vorlaufs und der reduzierten Projektlaufzeit konnten die Veranstaltungen im geplanten Umfang realisiert werden – sowohl für den Beginn einer moderierten Gruppenarbeit nach der „Therapie Sociale“ in mehreren Stadteilen (und zusätzlich in einer Institution) als auch zur Sensibilisierung von Multiplikator*innen für den gewählten methodischen Ansatz.
- Es gelang im Pilotprojekt, insgesamt ca. 120 Dresdnerinnen und Dresdner aus den im Projektkonzept benannten Zielgruppen in die unterschiedlichen Veranstaltungsformen einzubeziehen.
- Dabei erwies sich die Mobilisierung in den Zielgruppen Verwaltung und Politik im Vergleich zu bürgerschaftlich Engagierten als schwieriger: Zwar nahmen einzelne Stadträte*innen und Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung an Projektveranstaltungen teil, dennoch waren diese Zielgruppen im Vergleich unterrepräsentiert.
- Es gelang auch, Akteure aus gesellschaftlichen Gruppen, die Flucht, Asyl und Migration kritisch oder ablehnend gegenüberstehen, für die Gruppenarbeit zu interessieren – wenngleich die Mehrzahl der Teilnehmer*innen eine solidarische Haltung vertrat.
- Im Rahmen der objektiven Möglichkeiten hat das Pilotprojekt die geplante Reichweite in den avisierten Zielgruppen erreicht.
Erreichen der qualitativen Projektziele
Wie oben beschrieben, erhielten die beiden Projektziele mit der Konkretisierung der Projektarbeit eine im Verhältnis zueinander veränderte Wertigkeit. Dennoch wurden beide Perspektiven im Pilotprojekt verfolgt. Vor diesem Hintergrund kann bilanziert werden:
Projektziel 1: Vertiefen der Kommunikation und Kooperation zwischen Akteuren aus Bürger-schaft, Verwaltung und Lokalpolitik, die sich im Handlungsfeld Flucht, Asyl, Migration und Integration engagieren
- Das Projektziel wurde punktuell, jedoch nicht in einem breiten, stadtweiten Umfang erreicht.
- Zunächst erfolgten zahlreiche vorbereitende Beratungen…
- auf der Ebene des Oberbürgermeisters,
- mit Mitarbeiter*innen relevanter Ämter der Stadtverwaltung,
- mit Koordinator*innen und Sozialarbeiter*innen in den Stadtteilen,
- mit Mitgliedern des Stadtrats,
- mit Vertreter*innen weiterer relevanter Organisationen – beispielsweise Polizei, Hochschulen, Kultureinrichtungen.
- In den Beratungen konnten die Ziele und Rahmenbedingungen sowohl des Pilotprojekts als auch der jeweiligen Tätigkeit der Gesprächspartner*innen erläutert und das Verständnis füreinander erweitert werden.
- An den Gruppenveranstaltungen in den Stadtteilen nahmen regelmäßig sowohl einzelne Mitarbeiter*innen aus Verwaltungen als auch Stadträte*innen teil.
- Von besonderer Bedeutung für das Erreichen des Projektziels waren jedoch die Workshops mit Multiplikator*innen. Während der Ganztagsveranstaltungen gelang ein intensiver Austausch zwischen den anwesenden Vertreter*innen der Zielgruppen Bürgerschaft, Verwaltung und Lokalpolitik. Dabei konnte das besondere Potenzial der „Therapie Sociale“ auch für die Verbesserung der Kommunikations- und Kooperationsbeziehungen zwischen den Zielgruppen erlebbar gemacht werden. Im Ergebnis sind aus allen avisierten Zielgruppen heraus die Bereitschaft und der Wunsch kommuniziert worden, den Austausch untereinander und die Zusammenarbeit miteinander zu vertiefen.
Projektziel 2: Pilotierung neuartiger Ansätze für die Begegnung, den Austausch und die demokratischen Meinungsbildung zwischen Bürger*innen mit gegensätzlichen Erfahrungen, Bewertungen und Haltungen zu gesellschaftlichen Problemen
- Im Pilotprojekt gelang es, den für die Stadtgesellschaft neuartigen Ansatz der moderierten Gruppenarbeit nach der »Therapie Sociale« in Dresden einzuführen.
- Der knappe Zeit- und Ressourcenrahmen des Projekts machte es objektiv unmöglich, die begonnenen Gruppenprozesse zum Abschluss zu führen. Dennoch konnten die lokal Verantwortlichen, die Teilnehmer*innen an den Gruppenveranstaltungen sowie die Multi-plikator*innen für die Herangehensweise der »Therapie Sociale« sensibilisiert werden.
In den insgesamt zwölf Veranstaltungen erlebten sie die Vorbereitung und Durchführung der Gruppenarbeit praktisch und hatten vielfach Gelegenheit, die eigenen Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam zu diskutieren. Die Befragung der Teilnehmer*innen (siehe Kapitel 5 des Sachberichts) ergab eine mehrheitlich positive Einschätzung; insbesondere bilanzierten fast 90 Prozent der Befragten die Erfahrungen als für ihr gesellschaftliches Engagement insgesamt oder zumindest in Teilaspekten hilfreich. - Im Umfeld der Gruppenarbeit nach der »Therapie Sociale« (nicht jedoch in den Veranstaltungen selbst) entstanden verschiedene Konflikte, die im Kapitel 6.2 bilanziert werden. In mehreren bürgerschaftlichen Gruppen und im Netzwerk »Dresden für Alle« wurde daraufhin die Eignung der Methode kontrovers diskutiert. Diese Diskussionen strahlten in Teile der Stadtgesellschaft aus und trugen ihrerseits dazu bei, Interesse für die Erfahrungen des Pilotprojekts und die pilotierte Methodik zu wecken.
- Insbesondere die Teilnehmer*innen der Multiplikatoren-Veranstaltungen sprachen sich in großer Mehrheit dafür aus, die Gruppenarbeit nach der »Therapie Sociale« in Dresden fortzusetzen. Im Ergebnis gelang es, eine tragfähige Organisationsstruktur für die Weiter-führung der „Therapie Sociale“ in der Stadt und Region Dresden zu bilden. Im Sommer 2016 begann eine einjährige, öffentlich geförderte Ausbildung für Moderator*innen nach der »Therapie Sociale«. Parallel wird aktuell die Gruppenarbeit in Stadtteilen fortgeführt.
- Im Ergebnis kann bilanziert werden: Im Pilotprojekt ist es gelungen, das Methodenrepertoire demokratischer Meinungsbildung in Dresden um einen neuartigen Ansatz zu erweitern. Der im Projekt durchlaufene Prozess gab erste Hinweise auf die Potenziale und Grenzen der moderierten Gruppenarbeit nach der »Therapie Sociale« ‒ sowohl in den positiven Erfahrungen der Teilnehmer*innen als auch in der kritischen Diskussion in Teilen der Dresdner Stadtgesellschaft. Mit dem Pilotprojekt wurden die intellektuellen, personellen und organisatorischen Grundlagen dafür geschaffen, den methodischen Ansatz weiter zu verfolgen, seine Wirkungen in der praktischen Arbeit zu evaluieren und im Ergebnis die Kompetenzen für die demokratische Meinungsbildung zu erweitern.