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Un|gebrochene Geschichte: Die NS-Deutung durch die IfS Frankfurt

20. April 2017 @ 18:30 - 20:00

Der Marxismus – die in der Tradition von Karl Marx stehende Theorie der Gesellschaft – befindet sich in den 1920er-Jahren in einer Krise. Sie zeigt sich insbesondere darin, dass der aufkommende Faschismus aus marxistischer Sicht theoretisch nicht erklärt werden kann. Weitgehend wird der Sozialismus aus einem deterministischen Geschichtsverständnis heraus – d.h. er wird als eine auf die kapitalistisch unweigerlich folgende historische Phase gesehen – und als technische Naturbeherrschung gedeutet. Diese Überbetonung der objektiven Faktoren lässt die subjektive Seite – der Wille der Beherrschten zur (Un-)Freiheit – aus dem Blick schwinden.
Die Erklärungsansätze des orthodoxen Marxismus verstellen insofern die theoretische Erklärung des Nationalsozialismus, weil zwar einerseits die ökonomischen und herrschaftlichen Interessen der Großindustrie und deren Rolle bei der Förderung der Nationalsozialisten erklärt werden können, aber gerade nicht die millionenfache Unterstützung, die die NSDAP und ihre Organisationen erfahren. Marxistische Theorie war nicht fähig, einen Begriff des Nationalsozialismus zu entwickeln, weil sie die Integration des Bewusstseins der Subjekte nicht (ausreichend) reflektierte. Die Formulierung der Frage, warum die Menschen nicht die Revolution mach(t)en, kann im orthodoxen Marxismus nicht vorgenommen werden, weil die sozialistische Revolution immer schon vorausgesetzt ist. Daher ist das Aufwerfen der Frage, warum handeln die Menschen gegen ihre „objektiven“ Interessen so bedeutsam.
Dies lässt sich exemplarisch an einer in den späten 1920er- bis frühen 1940er-Jahren theoretisch führenden Institutionen, dem in Frankfurt gegründeten Institut für Sozialforschung zeigen. Insbesondere mit der Übernahme der Leitung des Instituts durch Max Horkheimer (1895-1973) im Jahre 1931 kam einerseits eine programmatische Wende in der Ausrichtung des Instituts zum Tragen, auf der anderen Seite zeigte sich noch deutlich eine inhaltliche Kontinuität zu der vorausgegangenen Forschungspraxis unter dem orthodox-marxistischen Institutsleiter Grünberg. Auch unter Horkheimer fokussierte die Einrichtung weiterhin (und relativ ungebrochen) auf die an Marx orientierte theoretische Erklärung der zeitgenössischen Lage in den kapitalistisch fortgeschrittenen Ländern. Der substanzielle Wandel, der sich etwa in den durch das Institut neu aufgelegten Forschungen zur Autoritätseinstellung der Menschen zeigte, wurde nicht konsequent genug durchgeführt. Hieran lässt sich zeigen, welche Probleme bei der am traditionellen Marxismus orientierten Erklärung des Faschismus, insbesondere des Nationalsozialismus, existierten und warum auch das Institut für Sozialforschung – trotz seines umfassenden interdisziplinären Ansatzes – eine solche Erklärung allenfalls in Ansätzen entwarf.

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Datum:
20. April 2017
Zeit:
18:30 - 20:00

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