Neuorganisation der Flüchtlingssozialarbeit: Bewährte Strukturen erhalten statt neue Hindernisse aufbauen

Offener Brief des Netzwerkrates vom 24. Oktober 2016

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Hilbert,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Dr. Kaufmann,
Sehr geehrter Herr Dr. Lames,
Sehr geehrte Frau Dr. Cordts,

aktuell sind in Dresden aufgrund des hohen Bedarfs an Flüchtlingssozialarbeiter zahlreiche Beschäftigte unabhängig vom Berufsabschluss eingestellt. Die Tätigkeit wird häufig durch kompetente Migrantinnen und Migranten ausgeübt. Sie kennen Sprache und Kultur und bauen so schnell Vertrauen auf.

Die geplante Fortschreibung der Flüchtlingssozialarbeit sieht eine Trennung des Tätigkeitsfelds in Flüchtlingssozialarbeiter und Flüchtlingsbegleiter vor. An diesem Vorhaben wurde von vielen Trägern der Sozialarbeit Kritik an uns herangetragen. Als Netzwerkrat von „Dresden für Alle“ sehen auch wir folgende Probleme:

  1. Die für den Flüchtlingssozialarbeiter geforderte berufliche Qualifikation, nämlich ein abgeschlossenes Hochschulstudium im sozialen Bereich, wird höher bewertet als Erfahrung, Sprache und Kulturkenntnisse.
  2. Zwar erscheint das neue System oberflächlich betrachtet logisch, doch nimmt es zu wenig Bezug auf gelebte und bewährte Praxis. So können Menschen, die bereits jetzt mit Erfolg im Beruf des Flüchtlingssozialarbeiters tätig sind, sich künftig nicht bewerben. Ihre Arbeitsverträge laufen aus oder müssen sogar gekündigt werden. Bereits bestens qualifizierte Menschen gehen dem Arbeitsfeld so durch die neue Praxis verloren.
  3. In der Folge können aufgrund des Mangels an Hochschulabsolventen Stellen nicht besetzt werden und das Ziel des Betreuungsschlüssels von 1:80 kann mit Sicherheit nicht erfüllt werden.
  4. Durch die Stellenbeschreibung des Flüchtlingsbegleiters werden Menschen, die in engem Kontakt mit Geflüchteten stehen, finanziell und in ihren Befugnissen herabgestuft.

Wir fragen uns vor diesem Hintergrund, warum das bewährte gegenwärtige System geändert werden soll? Des Weiteren ist uns völlig unklar, in welcher Zahl welche Stellen geschaffen werden und wie Flüchtlingsbegleiter künftig besoldet werden sollen. Bevor diese auf der Expertise des Sozialamts basierende Planung ins Interessensbekundungsverfahren geht und damit unveränderliche Tatsachen geschaffen werden, fordern wir:

  1. Das bestehende System soll erhalten bleiben.
  2. Es muss im Interesse einer qualifizierten Arbeit geklärt werden, wie mit den neuen Regelungen der gegenwärtige Betreuungsschlüssel angewendet wird.
  3. Erfahrung, sowie Kenntnisse der Sprache und Kultur müssen mindestens gleich bewertet werden, wie ein beruflicher Abschluss.

Mit freundlichen Grüßen,

Der Netzwerkrat von „Dresden für Alle“